22. September 2010

Luftschutzstollenmusteranlage

Rost / Rust
Tag 2 des offenen Denkmals.
Wäre das Erkunden des Berliner Untergrunds nur mit Abenteuerlust und Geschichtsinteresse verbunden, könnte ich mir eine ehrenamtliche Mitarbeit beim Verein Berliner Unterwelten e.V. durchaus vorstellen. Doch leider vermiesen so einige Dinge die ich so rein gar nicht mag (wie z.B. Spinnen, Gestank, enge Räume) den Spaß. Pech für mich. Aber dafür bieten die Berliner Unterweltler ja dann und wann Führungen an Orte an, die ziemlich aufgeräumt wirken.
Wie kaum eine andere Ecke Berlins umgibt die Kreuzberger Friesenstraße eine Aura von Preußentum und Militarismus. Beim Betrachten der Ziegelsteinfassaden der alten Kasernengebäude drängt sich der Gedanke auf: wenn diese Mauern sprechen könnten.
1895 begann die Errichtung der Anlagen für das Garde-Kürassier-Regiment und das Kaiserin-Augusta-Garde-Grenadier-Regiment. Bis zum heutigen Tage zeugen viele Spuren von dieser preußischen Militäreinrichtung.
Seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist die Polizei in der alten Kaserne untergebracht. Nach der Machtübergreifung der Nationalsozialisten annektierten die Reichsanstalt für Luftschutz, die Reichsluftschutzschule und die Luftpolizeischule  die Anlage. Die alte Militärarrestanstalt auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Columbiadamms erlangte traurige Berühmtheit als (wildes) KZ Columbiahaus.
Nach dem Krieg kamen die amerikanischen Alliierten, übergaben die alte Kaserne aber alsbald zurück an die Polizei. Heute hat die Direktion 5 in der Friesenstraße ihren Standort.
Zwischen 1936 und 1938 wurde von acht Firmen im Kasernenhof  der Luftschutzmusterstollen errichtet. Acht hintereinander liegende Stollen unterschiedlicher Bauart hatten das Ziel, Kommunalvertretern, Firmeninhabern, aber auch (entsprechend gut betuchten) Privatpersonen scheinbare Sicherheit zu verhökern.
Seit Kriegsende dienten die Stollen der Polizei als Schießstand und Lagerräume, ehe sie in Vergessenheit gerieten.
Im Jahre 2000 wurden die Stollen wiederentdeckt und werden seither von dem Verein Berliner Unterwelten e.V. betreut.
Kühl ist es dort unten und die Luft ist feucht. Doch es fehlen die muffigen Gerüche und das klaustrophobische Gefühl, obwohl wesentlich mehr Personen als ursprünglich angemeldet zur Führung in den Untergrund gingen.
Beeindruckend fand ich die Dokumentation mittels Bildmaterial. Auf einer Fotografie war dargestellt, wie sich die Machthaber denn ihr Sicherheitskonzept vorgestellt hatten: akkurat in Reih und Glied saßen sie da, die Muttis mit ihrer herrenvölkischen Nachzucht, Gepäck und Kinderwagen ordentlich zusammengestellt, die Gesichter entspannt und zu einem Lächeln verzogen. Ein eindeutiges Indiz, dass dieses Foto gestellt war; beim echten Bombenalarm war es mit dem blöden Grinsen vorbei, herrschte die nackte Angst.
Wie sinnlos die Errichtung der meisten vorgestellten Anlagen war, verdeutlicht die Tatsache, dass diese Luftschutzräume Typ Serienanfertigung nur wenige Zentimeter unter der Erde verbuddelt wurden.
Trotzdem blieb bei mir die Frage, wie sich das angefühlt haben muss, in einem solchen Luftschutzstollen während der Bombardierung Berlins. Zitterte die Erde, wie viel war von der Bombardierung zu hören? Unwissenheit ist manchmal ein Segen.
Ein Gefühl der Sicherheit erweckten diese Stollen - egal welchen Bautyps - sicher nicht.
LS-Stollen

Gute Nacht da draußen - was immer Du sein magst!  ^''^

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