24. September 2010

Stauffenbergs Grab (angeblich) entdeckt

inmitten des Waldes

Manchmal überrascht die Geschichte mit deutlicher Verzögerung.
Ich liebe den Südwestkirchhof Stahnsdorf. Schon diverse Male war ich dort und bin über das riesige Areal gewandert, vorbei an alten, teilweise überwucherten Gräbern. Die Liste der dort bestatteten Personen liest sich wie das who's who des Berlins des frühen 20. Jahrhunderts. Bisher ist es mir nicht gelungen, alle interessanten Gräber aufzuspüren, zu unübersichtlich ist das Gelände.
Auf einem Stadtplan entdeckte ich ganz in der Nähe einen weiteren Friedhof, der zumindest vom Namen her ähnlich vielversprechend klang: Der Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde. Er wurde im gleichen Jahr angelegt, wie das Stahnsdorfer Pandon, konnte es mit diesem jedoch niemals aufnehmen, obwohl der Friedhof laut Wikipedia "heute zu einem den schönsten Berlins zählt".
Ende März war ich dort. Wie Wikipedia zu diesem hochtrabenden Lob kommt, ist mir ein Rätsel. Vermutlich war der Verfasser der Beschreibung nie persönlich da. Schönheit sieht wahrlich anders aus.
Wer sich für Grabarchitektur interessiert, wird fürchterlich enttäuscht. Auf dem vorderen Friedhofsteil befinden sich die neuen Gräber, die - wie für Deutschland typisch - völlig fantasielos und einheitlich daherkommen: ein langweiliger Grabstein mit nichtssagender Inschrift, etwas Efeu, bestenfalls Geranien. Dahinter liegt der alte Friedhofsteil. Eine Kapelle (ebenfalls nicht als architektonisches Kleinod zu bezeichnen) und das einzige Mausoleum.
Der Südwestkirchhof Stahnsdorf konnte sich bis zum Mauerbau prächtig entwickeln. Immerhin hielt die eigens errichtete Friedhofsbahn fast direkt vor dem Haupteingang. Der Wilmersdorfer Waldfriedhof liegt hingegen fernab vom Schuss, wer ihn erreichen will, muss entweder gut zu Fuß sein oder ein geeignetes Transportmittel zur Verfügung haben (was in früheren Zeiten wohl kaum auf den Großteil der Bürger zutraf).
Nach dem Bau der Berliner Mauer war die Pflege der Gräber für Westberliner nur erschwert möglich.
Die Natur hat sich den alten Friedhofsteil längst zurück erobert. Nur hat sie hier richtig gute Arbeit geleistet. Während Wildwuchs und Verfall auf anderen Friedhöfen, wie dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof, dem Jüdischen Friedhof Weißensee oder den Friedhöfen am Friedrichshain eine wunderschöne Symbiose eingehen, herrscht in Güterfelde blanke Zerstörung. Inmitten des Waldes, wie es scheint, lassen sich Grabsteinfragmente und verwitterte Kreuzreste ausmachen. Allerdings völlig unspektakulär. Einzig interessant erschien mir der Obelisk auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof.
Im August erhielt ich eine E-Mail von der Mitarbeiterin eines schwedischen Geschichtsmagazins, die wissen wollte, ob ich die Bilder auf dem Güterfelder Friedhof oder im angrenzenden Wald aufgenommen hatte. Sie begründete ihre Anfrage mit dem Hinweis, dass das Grab Stauffenbergs in besagtem Wald vermutet werde. Während unserer Korrespondenz schickte sie mir den Link zu einem Artikel der Daily Mail.
Nun ja... Daily Mail zählt zu den middle-market newspaper, auch wenn der Artikel eher an die Berichterstattung der gutter press erinnern mag. Die Behauptung, dass Stauffenberg hierzulande als Held verehrt wird, ist doch reichlich übertrieben. Und dass die Mitverschwörer (nicht Tausende sondern etwa 200) mittels Klaviersaiten erhängt wurden, stimmt so auch nicht.
Im September erschien ein Artikel in dem Schwedischen Geschichtsmagazin Allt om Historia. Der Artikel äußert sich ähnlich, wie der Beitrag der Daily Mail, unterlässt jedoch die falschen Ausschmückungen.
Eine Suche über Google brachte mich auf zwei Artikel der Märkischen Allgemeinen (Artikel 1, Artikel 2), die sich schon ganz anders lesen.
Alles also eine bloße Zeitungsente?
Gut vorstellbar, dass SS-Schergen in Güterfelde nach besagter Grabstelle für zehn bis zwölf Personen gefragt haben. Aber: von Stauffenberg, von Haeften, von Quirnheim, Beck und Olbricht sind laut meiner Mathematik fünft Personen, wozu sollten diese in einem so großen Grab beigesetzt werden? Wäre es nicht durchaus denkbar, dass dieses Gemeinschaftsgrab für weitere Personen gedacht war, die nach dem Umsturzversuch ermordet wurden? Vielleicht gab es sogar Überlegungen oder Pläne, weitere Personen standrechtlich zu erschießen, ehe die Naziführung auf die Idee kam, die Mitverschwörer (oder als solche bezeichnete) wesentlich perfider vom Leben zum Tode zu befördern.
Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass die Hauptverschwörer nach der Exhumierung ihrer Körper in Güterfelde beigesetzt worden. Hitler wurde bereits um die Rache an den lebenden "Verrätern" gebracht.
Wer sich mit den Biografien der Mitverschwörer (z.B. auf den Seiten der GDW) befasst, dem kann eigentlich nur speiübel werden. Zu grausam sind die Details ihrer Hinrichtung. Hängen hieß hier nicht Genickbruch durch long drop, sondern qualvolles Ersticken. Während des langsamen Todeskampfes liefen die Kameras, um das Sterben, wie auch die Demütigungen, die die Delinquenten bis zum letzten Augenblick zu erdulden hatten, peinlich genau zu dokumentieren.
Anderes Beispiel: Henning von Tresckow. Dieser hatte in weiser Voraussicht den Freitod gewählt, ehe die Nazis seine Mitwirkung am Umsturzversuch begriffen. Als der Groschen fiel, wurde sein Leichnam exhumiert, vom Gut Warteberg nach Sachsenhausen verbracht und verbrannt.
Und ausgerechnet Stauffenberg sollte ein halbwegs anständiges, wenn auch geheimes Grab erhalten haben?
Das ist nicht nur fragwürdig, sondern haltlos.

Gute Nacht da draußen - was immer Du sein magst!  ^''^

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