18. September 2010

OP-Bunker Teichstraße

Mir genüber gähnt die Halle,
Grauen Tores, hohl und lang,
Drin mit wunderlichem Schalle
O Langsam dröhnt ein schwerer Gang;
aus "Das alte Schloss" von Annette von Droste-Hülshoff

Patienteneingang OP-Bunker Teichstraße

Gleich bei meinem ersten Denkmal wurde ich etwas enttäuscht: kaum hatte ich mit den anderen Besuchern das Innere des Bunkers betreten, und die Kamera im Anschlag, untersagte uns eine freundliche Stimme das Fotografieren. Die Eigentumsrechte des Inventars seien noch nicht ganz geklärt, hieß es. Ich vermute, der Grund ist anderer Natur: die Führung durch den Bunker soll eher pädagogischen Charakter haben und nicht Sensationsgelüste stillen. Wer weiß, wozu einige Aufnahmen dienen könnten? Nazi-Memorabilien?
Nun, egal. Eine Aufnahme gelang mir, den Rest muss die Vorstellungskraft des Lesers erledigen.
Aber erstmal ein kleiner Ausflug in die Geschichte:
1910 eröffnete das Städtische Krankenhaus Reinickendorf seine Pforten. Nach 1933 erhielt die Klinik den Namen Erwin-Lieck-Krankenhaus. Im Dezember 1941 wurde per Beschluss mit der Errichtung eines Bunkers begonnen, der für Notoperationen während der Zeit der Bombenalarme dienen sollte. Direkt dem Chirurgiepavillon gegenüber entstand besagter Bunker, der bis zum Kriegsende auch rege genutzt wurde. Nach dem Ende der Nazidiktatur erhielt das Krankenhaus den ehrenvolleren Namen Humboldt-Krankenhaus, ehe die Klinik 1985 in den Nordgraben umzog. Das Bezirksamt Reinickendorf zog in die alten Gebäude ein. Der Bunker war längst dem Vergessen anheim gefallen und wäre sicherlich immer noch vergessen, hätte nicht eine Mitarbeiterin des Bezirksamtes dem Verein Berliner Unterwelten e.V. einen Tipp gegeben.
Die Unterweltler staunten nicht schlecht, als sie den Bunker inspizierten; sie fanden eine beinahe komplett erhaltene Anlage vor, bei der auch die Technik nahezu funktionstüchtig war (was sicherlich primär dem Engagement und der technischen Hingabe des betreuenden Unterweltlers zu schulden ist).
Das unheimlichste an dem OP-Bunker ist die Tatsache, dass er fast so wirkt, als wäre er noch immer in Betrieb. Ich hatte wahrlich das Gefühl, einen Zeitsprung gemacht zu haben, als ich durch die Anlage geführt wurde.
Das obige Bild zeigt die Patientenschleuse, die vom Keller des Chirurgiepavillons in den Bunker führt.
Im Bunker angelangt, macht der Gang einen Knick, dahinter führt eine Stahltür durch die Gasschleuse. Hinter der Schleusentür betritt man einen Vorraum, von dem drei Räume abgehen: der Maschinenraum, eine kleine Kammer (Umkleide?) und der OP-Vorbereitungsraum. Dieser Raum ist komplett gekachelt und (wie die übrige Räume auch) perfekt rekonstruiert worden. Altertümliche Vitrinen sind aufgestellt, eine Patientenliege dominiert den Raum, daneben geben Fenster über Waschbecken, an denen sich das Personal wusch und desinfizierte, Einblicke in den dahinter liegenden OP-Saal. Ein kleiner Aufwachraum befindet sich neben der Eingangstür in den Vorbereitungsraum, daneben weist eine türlose (wohl ehemals mit einem Vorhang versehende) Öffnung den Weg in den OP-Saal.
Der Besucher fällt fast über den alten gynäkologischen Stuhl, der direkt hinter dem Eingang aufgestellt wurde und sicherlich nicht zur ursprünglichen Einrichtung zählt (der Bunker in der Teichstraße diente Operationen, doch es gab auch etliche Kreiß-Bunker). Nebenan steht ein OP-Tisch aus der damaligen Zeit, komplett mit Vorrichtungen für die früher übliche Äthernarkose, an der sogar der berühmte Professor Sauerbruch höchstselbst zum Skalpell gegriffen haben soll. Der OP-Saal ist dunkelblau gekachelt, zwei alte OP-Lampen tauchen den Raum in ein unheimliches Licht. Vitrinen grenzen den OP-Saal vom daneben liegenden Raum ab, der Sterilisation. Hier wurden die Instrumente gereinigt, im Dampfsterilisator von Keimen befreit und in die Vitrinen gelegt, die sowohl vom Sterilisationsraum, als auch aus dem OP-Saal geöffnet werden können. Stolz führte uns der Betreuer des Bunkers seine Sammlung medizinischer Instrumente vor und erwähnte, dass er mit diesem Equipment wohl jede Operation durchführen könne.
Ein weiterer Raum mit Sanitäranlagen komplettiert den Bunker.
Teilweise von der Decke wachsende Stalaktiten machen das Gruselgefühl komplett, das erst das erleichternde Durchatmen zurück an der frischen Luft, an einem spätsommerlichen Tag in einem friedlichen Berlin, tilgt.
OP-Bunker Teichstraße

Gute Nacht da draußen - was immer Du sein magst!  ^''^

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